Vollgas geben wollen und der Anspruch an sich selbst vs. Wochenbett
Der Kleine ist noch keine zwei Wochen alt. Mein Mann geht ab der nächsten Woche wieder arbeiten. Dann bin ich auf mich allein gestellt. Mit drei Kindern unter fünf Jahren. Warum fällt es mir dann so verdammt schwer, die Füße still zu halten, so lange ich noch kann?
Schon im Geburtsvorbereitungskurs 2015 trichterte uns die Hebamme ein, dringend das Wochenbett einzuhalten. Sie wies darauf hin, dass es in den meisten Ländern und Kulturen üblich und selbstverständlich sei, die Wöchnerin nach Strich und Faden zu verwöhnen. Ihre Aufgabe sei es, sechs bis acht Wochen lang, sich von der Geburt zu erholen und in aller Ruhe das neue Familienmitglied kennen zu lernen. Schon damals machte mich die Aussicht auf wochenlanges Rumliegen wahnsinnig. Mein Mann hingegen wäre da sofort dabei. Aber betreuen. Der ist auch ein natural born Chiller. Eine Eigenschaft von ihm, die mir mitunter wahnsinnig auf den Kranz geht, weil ich immer Hummeln im Hintern habe. Tatsächlich könnte ich mir allerdings eine Scheibe von ihm abschneiden. Denn er hat etwas, das mir fehlt – die Fähigkeit zur Selbstfürsorge.
Immer weiter, durchziehen, machen, aufstehen wenn man fällt. Und nein, ich brauche keine Hilfe. Ganz schön albern. Denn ich würde mir keinen Zacken aus der Krone brechen, wenn ich einfach mal Hilfsangebote annehmen würde. Die gibt es nämlich zu Hauf. Wir haben so viele liebe Freunde. Sogar die Familie wäre dieses Mal am Start. Meine Schwiegermutter ist im Sabbatjahr und würde die Mädels jederzeit betreuen. Zu uns kommen oder sie sogar mal ein paar Tage zu sich nehmen. Und was ist? Will ich nicht. Ich bin noch nicht bereit, die Girls über Nacht abzugeben. Dabei hätte ich das letzte Nacht gut brauchen können. Alexander ist als Stillprofi zur Welt gekommen. Der wusste sofort, wo genau er hin muss. Sogar im Liegen stillen klappte sofort. Den Mädels musste man in dieser Position in den ersten Tagen und Wochen die Brustwarze noch ganz exakt in den Mund bugsieren. Allein hätten sie die nicht gefunden. Alex fand. Und ließ sie seitdem gefühlt nicht mehr los. Der kleine Mann plagt sich mit Bauchschmerzen und ich denke, dass das Problem hausgemacht ist.
Er chillt gern an der Brust. Dass er auch beim Nuckeln in regelmäßigen Abständen zwangsbetankt wird, nimmt er so mit. Wenn die Milch eh läuft, trinkt er halt auch gleich. Als Ergebnis gibt’s schöne straffe Haut. Mein kleines schuppiges Baby sieht mittlerweile aus wie ein rosiges Werbe-Baby. Stimmt also. Muttermilch fettet von innen. Ein weiterer Effekt des leidenschaftliches Milchkonsums: Überlaufende Windeln. Ich muss ihn in der Nacht mindestens ein bis zweimal wickeln. Sonst weicht er Body, Schlafanzug, Daunenschlafsack (!) und unser Laken durch. Kann sich nicht gut anfühlen, scheint ihn aber nicht zu stören. Das Wickeln stört ihn schon. Und dann ist er halt wach. Und hat schlechte Laune. Doof, wenn es genau mit der Zeit zusammenfällt, zu der Pauline zu mir unter die Decke kriechen will. So wie eben letzte Nacht. Dann hält der Zwerg mein Paulinchen eben anderthalb Stunden wach. Und wir müssen versuchen, einen Stein zu wecken und einen Zombie für den Kindergarten fertig zu machen. Yeah! Ich hab heute zu meinem Mann gesagt, dass er bitte bitte keine Geschäftsreisen in den nächsten zwei Monaten antreten soll. Sonst bin ich am Arsch. Und ehrlich gesagt ist das etwas, worauf ich stolz bin.
Ich habe zugegeben, Hilfe zu brauchen. Mach ich jetzt auch öfter. Mir und meiner Familie zu liebe. Weil ich vier Tage nach der Geburt unbedingt walken gehen und einen Schneemann bauen musste. Weil ich drei Tage nach der Geburt unbedingt meine Große aus dem Kindergarten holen musste, einkaufen gegangen bin, auf dem Spielplatz rum lungerte… hab ich jetzt mit Schmerzen zu tun. Meine Leisten tun weh. Ich hab das Gefühl, dass mir einfach die Beine abfallen, wenn ich laufe. Ich habe Schiss, dass ich was am Beckenboden kaputt gemacht habe durch meinen blinden Aktionismus. Durch das Gefühl, sofort wieder in den Alltag zurückkehren zu müssen. Gerade ein Baby bekommen und schon wieder am Start, als wär nie was gewesen. Wozu eigentlich? Das ist mein letztes Kind. Ich habe Hilfe. Wenn ich jetzt nicht die Zeit genieße, werde ich es bereuen. Denn sie kommt nie wieder. Von daher. Ich klappe jetzt den Laptop zu und wechsle meinen Platz von links auf der Couch zu rechts auf der Couch. Da quengelt das Baby und will zurück an die Bar. Ich helfe ihm mal eben.
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