„Hier werdet ihr nicht glücklich“ – Willkommen in der Nachbarschaft!
In unserem neuen Wohnort schlagen uns überrasched optimistische Vibes entgegen. Nicht. Darum kann ich nicht mehr hören, dass hier jemand NICHT sein möchte.
Wir sind noch lange nicht eingezogen aber die Zeit drängt. Wir müssen endlich rüber nach Herbertingen ins Haus. Die tägliche Fahrerei, um die Kinder in Schule und Kita zu bringen, ist nämlich schon ein bisschen nervig. Viel wichtiger aber ist, dass wir natürlich auch viel besser ankommen können bzw. überhaupt erstmal ankommen können, wenn wir denn auch in unserem künftigen Heimatort wohnen. Nicht dass es zu eng wäre, hier in der Ein-Zimmer-Wohnung meiner Schwiegermutter aber so langsam… Ende Mai kommt ihr Mann zurück und der findet Kinder im Haus doof. Das ist jetzt mal ganz salopp formuliert für eine nicht tragbare Situation für die Kids. ERGO: Geben wir Vollgas am und im Haus.
Ich habe jetzt den Fußboden im Dach von Schrot und Schlacken befreit. Ein staubiger, anstrengender Job, der jetzt endlich geschafft ist. Ich habe fast 100 Schwerlastmüllsäcke mit dem ganzen Scheiß voll geschaufelt. Dutzende Mäuseskelette ausgebuddelt und anhand vergilbter Tageszeitungen herausgefunden, wann genau das Dach eigentlich ausgebaut wurde. 1971. Da war die Schrift in der Tageszeitung noch altdeutsch. Aber das nur am Rande. Jetzt können wir ihn schön und funktional wieder aufbauen. Mit ordentlichen Dielen, Trittschall und Dämmung. Brauchen wir nur noch Holz. Eine Menge Holz!
Schönes Sinnbild übrigens. Unsere To-Do-Liste umfasst auch „eine Menge Holz“. Und obwohl wir schon so viel geschafft haben, überrollt uns trotzdem regelmäßig Panik. Verzweiflung und Mutlosigkeit – angesichts des Mammutprojektes vor uns. Passend zu diesem Gefühl kommen unsere neuen Nachbarn. Als wir noch am Entrümpeln waren, kam der alte Herr von gegenüber zu uns in die Einfahrt. Schaute griesgrämig, trat von einem Bein aufs andere und als ich ihn dann freundlich fragte, ob ich ihm helfen könnte, platzte aus ihm heraus: „Und die Kiste habt ihr jetzt gekauft, ja? Na viel Spaß damit!“ Mit diesen Worten verzog er sich zurück zum Rauchen auf seinen Balkon. Von dort aus kann er uns nämlich noch besser beobachten. Falls er noch einmal das Bedürfnis verspürt, uns eins rein zu drücken, kommt er sicher wieder.
Von Handwerkern haben wir diese und ähnliche Aussagen jetzt auch schon zur Genüge gehört. Der erste Sanitär-Mensch meinte schon beim Betreten unserer Casa-Rohdiamant ganz empathisch: „Was ne Bruchbude! Einfach abreißen!“ Ähm ja. Aber nein. Das steht nicht zur Debatte und ist totaler Quatsch. Die Hütte steht da seit 170 Jahren, ist trocken, die Balken, Träger, Wände sind alle prima erhalten. Es gibt keinen Grund, dieses Haus abzureißen, nur weil jemand mit zu wenig Phantasie hier rein spaziert! Aber echt! Wir haben uns nicht wegen dieser Aussage von diesem Heizungsbauer getrennt…
Es geht aber fröhlich weiter. Beim Kinderturnen wurde ich mehrfach gefragt, warum ich denn aus München nach Herbertingen gezogen bin. WARUM? Warum macht man sowas? Aber genau so. Und der Mensch vom Tiefbauunternehmen, der ein großes Loch in die Stra0e gebuddelt hat, damit wir unseren Gasanschluss bekommen, sagte gestern zu mir: „Herbertingen. Ich würde ja im Leben nicht nach Herbertingen ziehen. Das ist so trostlos hier. Schrecklicher Ort.“ Sein Kollege daraufhin: „Aber du bist doch gebürtig aus Herbertingen!“ Tiefbauer: „Eben!“
Ich lächle all diese Aussagen weg. Jedes Mal. Aber ich frage mich wirklich, WIRKLICH, warum man sowas macht. Aus welchem Grund ist es jemandem denn ein inneres Anliegen, mitzuteilen, wo er NICHT wohnen wollen würde. Zumal wir ja hier sind! Die Wahrscheinlichkeit, dass wir sagen: „Oh, echt? Ja dann verkaufen wir die Hütte aber schnell wieder“, ist gleich NULL. Deshalb: Ruhe jetzt! Kommt uns alle mal besuchen. Wir machen aus der Bruchbude was richtig Schönes. Vielleicht nicht heute. Aber irgendwann. Und dann versteht ihr uns vielleicht.
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