Viel Geschrei zum Halbgeburtstag
Meine Große wird am 4. Februar genau 5,5 Jahre alt. Was die Info mit den krummen Zahlen soll? Ey Leute. Ich rede vom Halbgeburtstag! Das ist die schlimmste Zeit in der Entwicklung meiner Kinder überhaupt! Kennt ihr das auch?
Die Theorie mit den Entwicklungsschüben ist umstritten. Ich weiß auch nicht, ob ich das so recht glauben kann. Immerhin will man nicht das eigene Kind mit allen anderen über einen Kamm scheren. Andererseits ist es ungemein beruhigend. Wenn ich denke: „Heidewitzka, jetzt ist das Kind aber wirklich schlimm anstrengend, weinerlich, klammerig, explosiv!“ und dann in einem Diagramm sehe, ach guck, mitten drin im Entwicklungsschub, dann bin ich erleichtert. Denn selbst, wenn ein Sprung über mehrere Wochen andauert, ist doch immer ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Und als erfahrene Mama weiß man, wenn man das jetzt überstanden hat, bekommt man ein neues, verbessertes Kind. Mit neuen Skills, anderem Verständnis und manchmal sogar ein paar Zentimeter größer zurück. Ziemlich abgefahren.
Mit steigender Kinderzahl sind die ersten Schübe auch eher pillepalle. Mei. Da klebt das Baby halt ein paar Wochen auf mir und heult, wenn ich es wage, es abzusetzen, nur weil ich mal pinkeln muss. Was fällt dir ein, Mutter?! Das geht ja wohl auch einhändig! Stimmt, Kind. Geht. Und die Verspannungen des Todes vom ewigen Umhertragen sind auch irgendwann vergessen. Auch die Trotzanfälle der Dreijährigen. Die lassen meinen Puls zwar auch explodieren aber irgendwo schwebt da immer die erfahrene Mama über mir, die mir zuflüstert: „Einatmen, Katja. Ausatmen. Es geht vorbei. Bleib ruhig. Du siehst das Leid dieser kleinen Person. Also hilf ihr und nimm es nicht persönlich.“ Funktioniert je nach Eskalationsstufe und Rahmenbedingungen nicht immer. Aber oft.
Doch dann kommt die unberechenbare Größe dazu. Unsere Große. Unser Erstkind. Der Prototyp sozusagen. Ein Prototyp ist nie ausgereift. Und weil wir als ihre Eltern ja auch zum ersten Mal als solche agieren, sind wir auch nur Prototypen. Und stehen immer mal wieder fehlerhaft in der Gegend rum, während das Proto-Kind durch die Decke geht. Meine Fünfjährige Supermaus mutiert nämlich gerade zu einer kleinen, bösen Hexe. Keine Ahnung, wo meine verständige, empathische Großmaus hin ist. Die kleine Hexe hat ihren Leib übernommen. Anders kann ich mir ihr Verhalten gerade nicht erklären.
Sie motzt. Der Ton ist eine Zumutung. Statt uns etwas zu fragen, sagt sie zum Beispiel: „Und warum kriege ich hier keinen Kakao?!“ Besonders schön. So frisch nach dem Aufstehen morgens. Auch hübsch: „Nie hilft mir einer. IMMER ist Pauline als Erste dran. Ihr habt den Alex viel lieber als mich. Ich habe mir eigentlich einen ganz anderen Papa gewünscht. Du bist eine blöde Mama!“ Dazu zieht sie eine wutverzerrte Fratze. Rollt mit den Augen. Spuckt, kratzt, kneift und beißt. Gerade bei Letzterem dachte ich, mich tritt ein Pferd. Das geht gar nicht. Wir werden niemals körperlich. Wurde sie auch nie. Was soll das jetzt also? Sie hat Frust. Versteh ich. Hab ich auch. Aber der muss anderweitig entladen werden. Denn so geht es nicht weiter.
Am Wochenende war ihre beste Freundin zu Besuch. Übernachtungsbesuch! Sie hat sich riesig darauf gefreut. Miriam geht mit ihr in die Kita. Die beiden sind unzertrennlich. Durch die Zwangspause von der Kita gerade, haben sich die Mädels lange nicht gesehen aber was dann kam, damit haben wir nicht gerechnet. Johanna war so hässlich zu Miriam, dass das arme Mädchen weinend auf dem Boden saß und sagte, dass sie ihre Eltern vermisse. Und Miri ist eine ganz taffe kleine Person. Johanna hat sie richtig fertig gemacht. Nix geteilt. Nix durfte Miriam. Alles doof und als Krönung des Ganzen hat sie ihr Tausend Mal erklärt, warum sie nicht mehr ihre Freundin ist und wen sie alles lieber mag. Ich war schockiert. Erschüttert. Weil es wirklich gemein war. Einfach nur böse. Immer wieder zielgerichtet da drauf gehauen, wo es weh tut. Das kenne ich von Johanna nicht. Erst recht nicht Freundinnen gegenüber. Unsere Gespräche im Nachklapp brachten allerdings kein Ergebnis. Sie weiß nicht, was mit ihr los war. Leid tut es ihr auch nicht, sagt sie. Ihre Körpersprache sagt aber etwas anderes. Ich bleibe trotzdem ein bisschen ratlos zurück. Und enttäuscht, um ehrlich zu sein.
Ich möchte nicht, dass mein Kind so ist. Ich mag solche Ego-Schweine nicht. Auch dann nicht, wenn sie erst fünf sind. Meine Hoffnungen, dass das ein Einzelfall war, wurden heute direkt im Keim erstickt. Als es beim Mittagessen zu einem Missverständnis kam, kreischte sie direkt wieder los. Hochrot versorgte sie mich mit der Information, dass sie jetzt ihre Schwester beißen wird. Weil die blöd gelacht hat! Wutschnaubend und türenknallend dampfte sie ins Kinderzimmer, als ich meinte, dass ich ihr Verhalten nicht dulde und es hat ewig gedauert, bis sie sich wieder abgeregt hat. Und das passiert hier gerade mehrmals am Tag. Das schlaucht.
Am liebsten würde ich sie, wenn auch nur tageweise, in die Notbetreuung geben. Es scheint mir, als hätte sie Sozialleben verlernt. Aber das leben wir ihr doch vor. Schwierig. Ich baue jetzt ganz arg darauf, dass es wieder einer dieser miesen Schübe ist. Denn so langsam glaube ich nicht mehr an Zufall, dass meine Kinder allesamt kurz vor Halbgeburtstagen und Geburtstagen diesen Exorzismus durchmachen… Haccchhh. Mama hätte gern einen Schnaps.
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