Umziehen: Von verlorenen Dingen und dem Verlorensein
Es ist vollbracht. Der große Umzug ging reibungslos über die Bühne. Doch nachdem der Hauptteil lief wie geschmiert, ist jetzt echt Sand im Getriebe. Ich bin platt. Emotional erledigt. Aber wie es immer so ist in Familien: Show must go on!
„Wo sind eigentlich all meine Pullis?“ „Hast du die Kiste mit den Schreibtischbeinen gesehen? Die brauche ich morgen dringend. Sonst kann ich meinen Schreibtisch nicht aufbauen!“ Solche Sätze fliegen hier den ganzen Tag durch den kleinen Raum. Prallen von den beengten Wänden auf mein Trommelfell und graben sich mühsam vor ins Hirn. Information verarbeiten, nachdenken, reagieren. Und machen. Einfach machen. Essen kochen, Kinder bespaßen, den neuen Schulstart vorbereiten, Termine planen, noch mehr Information verarbeiten. Ich bin ein Roboter. Und frage mich, warum wir uns das eigentlich angetan haben.
Der Umzug selbst lief super. Wir waren perfekt vorbereitet. Die 70 Umzugskisten haben aufs Haar genau ausgereicht. Wir haben seit Wochen Kisten gepackt. Den Großteil am Tag VOR dem Umzug. Die Kinder waren bei einer lieben Freundin, während Simon und ich im Akkord verstaut, abgebaut und gestapelt haben. Die Kinder haben sich gern verräumen lassen. Nachdem ihre Spielzeuge kaum noch greifbar waren und zu ihrem Schrecken auch noch der Fernseher (WAAAS? Kein Netflix!?!) abgebaut wurde, gab es für sie keinen Grund mehr bei uns zu bleiben. Aber mal im Ernst. Das war wirklich super so. Wir haben einfach durchgeackert, ohne Unterbrechungen, Ablenkungen und ohne tatsächlich den digitalen Babysitter bemühen zu müssen. Das wollten wir nämlich nicht und bei Mona hatten sie einen schönen Tag mit Freunden. Eine Win-Win-Situation. Die Kisten haben wir dann tatsächlich auch noch am gleichen Abend im Transporter eines Freundes vertraut, der die Karre extra zu uns gebracht hat. Wir dürften die beide nicht fahren weil kein Anhängerführerschein und der Kumpel hatte Bus PLUS Anhänger dabei. Da gingen die Kisten gut rein.
Am nächsten Morgen habe ich die Kinder verköstigt und zur Nachbarin abgeschoben. Meine Nachbarin ist irgendwann in den letzten sechs Jahren zu einem der wichtigsten Menschen für mich geworden. Gleichalte Kinder, Stillprobleme, Kack-Unfälle und die Neuorientierung auf dem Arbeitsmarkt schweißen einfach zusammen. Ihre Jungs sind fast wie Brüder für unsere Kids. Andersrum verhält es sich ähnlich. Weil wir im gleichen Haus wohnen und einfach sehr viel Zeit miteinander verbringen, fühlt es sich manchmal an, als wären wir einfach erweiterte Familie. Das ist schön. Und verdammt traurig, dieses Gefüge zu verlieren. Ich hoffe, dass wir uns nicht aus den Augen verlieren. Jetzt, ein paar Tage nachdem wir hier im Ländle sind, vermisse ich sie fürchterlich. Und weil das so ist, bin ich gerade ordentlich abgeschweift.
Wir hatten sehr viele Helfer. Zwei haben wir im Vorfeld über eine Agentur angeheuert, weil wir nicht sicher wussten, dass genügend Leute mit anpacken aber diese Sorge erwies sich als unbegründet. Bis zum Mittag war alles verstaut. Zusätzlich zum Bus hatten wir einen kleinen LKW angemietet. Der hatte Platz für Möbel, unseren Fuhrpark (Kinderfahrräder, Radlanhänger, unsere Fahrräder, Dreirad, Puky und Co.) und bis 18 Uhr war in Herbertingen und Wolfartsweiler alles ausgeladen. Dass wir die Sachen auf zwei Orte verteilt haben, hat einen Grund. Den Schlüssel zum Haus bekamen wir erst am Abend des 5. Januar. Einen Tag vorm Umzug. Wir wussten bis dato also gar nicht, ob wir unser Zeug überhaupt dort unter stellen können aber hey, die Info kam gerade noch rechtzeitig. Im Haus können wir eh noch nicht wohnen. Wasserrohre, Elektro-Leitungen, Böden, Heizung… Muss alles noch gemacht werden. Konnten wir im Vorfeld nicht, weil uns die Bude nicht offiziell gehörte. Wir sind trotzdem schon umgezogen, weil wir Johanna nicht länger in der Schule lassen wollten. Je früher sie wechselt, desto größer die Chancen, dass sie es gut verknusert. Ich fange am 17.ten meinen neuen Job an. Vor Ort kommen wir am Haus viel schneller voran, als von München aus UND wir können nicht lange doppelt zahlen. Miete UND Rate wird zu teuer. Alles gute Gründe. Aber hier angekommen. In der Einzimmer-Einliegerwohnung meiner Schwiegermutter ist es doch härter als ich dachte. Dazu dann aber beim nächsten Mal mehr. Es ist halb elf Uhr abends und ich muss noch die neuen Schulhefte meiner Großmaus beschriften. So lange ich beschäftigt bin, hab ich keine Zeit mir selbst leid zu tun und das ist gerade wichtig…
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