Eine Mutter kennt keinen Schmerz – Meine unfreiwillige Diät
Meine angefeilten Zähne machen mich fertig. Zeit, um mir selbst leid zu tun, bleibt aber nicht. Johanna wird diese Woche sechs Jahre alt. Und ein Kindergeburtstag ist nicht das Einzige, was gerade organisiert werden muss.
Rushhour des Lebens heißt das, wenn man Mitte 30 ist, kleine Kinder hat, arbeitet, studiert oder sich sonst wie mit dem Leben herum schlägt. Fühlt sich für mich auch gerade definitiv so an. Mit Stau. Frust. Blanken Nerven und immerzu bin ich busy, busy, busy. Immer was zu tun. Zeit zum Beine hochlegen bleibt einfach keine.
Dabei bräuchte ich dringend mal eine Pause. Denn mein Schädel droht zu platzen. Ohne Schmerzmittel spüre ich meinen Pulsschlag überdeutlich im Unterkiefer. Und in den Ohren. Vor meinen Augen verschwimmt alles, wenn ich mich bücke, um irgendetwas aufzuheben. Und Mütter (und Väter) von kleinen Kindern wissen, dass es überall was zum Aufheben gibt. Seit der Zahn-OP am 19.ten Juli laufe ich nur noch auf Schmerzmitteln. Und das ist schlecht. Unter anderem deshalb, weil ich immer noch sehr oft stille. Alex ist anderthalb Jahre alt aber vom Abstillen will er nix wissen. Ich denke, bei ihm braucht es auch einfach den harten Cut. Das funktioniert nicht mit Reduzieren, Ausschleichen oder sowas. Ich werde ihm also eines Tages erklären, dass Feierabend ist. Aber noch nicht heute. Und auch nicht morgen.
In den nächsten Monaten kommt noch so viel auf uns zu. Da will ich ihm diese Form der ultimativen Nähe (noch) nicht wegnehmen. Aber dazu dann bald mehr. Jetzt will ich erstmal über meine Zähne jammern. Das kann ich im Alltag nämlich viel zu wenig. Die ganze Zeit heißt es nur „Show must go on“. Also räume ich Spülmaschinen aus, hänge Wäsche auf, ziehe Kinder an, kutschiere sie von A nach B, plane Geburtstage, lerne, schreibe Abschlussprüfungen und kämpfe immer mal wieder mit den Tränen. Weils echt weh tut. Meine Zahnärztin meinte nur lapidar, dass das schon sein kann. Weil ist ja ein großer Eingriff und wer schön sein will, muss leiden. Hat sie wirklich gesagt. Und das hat mich getroffen. Bei meiner Gebiss-Sanierung geht es nicht um Eitelkeiten. Es geht um meine Gesundheit. Lebensqualität. Prävention. Und ja, logisch nehme ich den netten Nebeneffekt gern mit, wenn es am Ende auch gut ausschaut! Ist doch klar. Irgendwie hat aber jeder nur die Optik im Kopf, wenn er Zahnsanierung oder Vollkeramik hört.
Heute hätte eigentlich der dritte von vier Terminen stattfinden sollen. Hätte gut gepasst. Weil die Schmerzen immer schlimmer werden statt besser und mir gestern ein Teil vom Provisorium rausgefallen ist. Als ich mein selbst gebackenes, super weiches Bananenbrot gegessen habe. Zucker- und fettfrei, weil ich grad weder das Eine noch das Andere gut vertrage. Zucker oder auch Austauschstoffe gehen gar nicht. Harte Sachen, Gemüse oder Bot gehen auch nicht. Müsli und Porridge ebenfalls nicht. Zu kleinteilig. Banane und Traube zu süß. Joghurtdrinks muss ich selbst machen, weil ich den Zucker in den fertigen Sachen nicht packe. Tut weh. Positiver Nebeneffekt: Nach vier Wochen überempfindlichen Zähnen habe ich keinen Heißhunger mehr auf Süßkram. Das ist aber auch das einzig Positive.
Mein Termin heute fiel aus, weil das Dentallabor nicht rechtzeitig fertig geworden ist mit dem Anfertigen für meinen Ersatz. Pech gehabt. Der nächste Termin ist erst wieder in zwei Wochen. Zum Zahnarzt durfte ich heute trotzdem kommen, damit sich mal angeschaut werden kann, worüber diese Mimimi-Patientin so jammert. Am Anfang hatte nicht mal ein Arzt für mich Zeit. Das änderte sich aber direkt nach dem ersten Blick in meinen Mund. Ergebnis: Alles entzündet. JEDER EINZELNE ZAHN ist ein einziger Schmerzherd. Kein Wunder, dass es mir schlecht geht. Eine Cortison-Creme speziell für den Mund soll Abhilfe schaffen. Ich bin erleichtert und mit repariertem Provisorium aus der Praxis zurück gekommen und wollte direkt mein Rezept einlösen. Doof nur: Die Cortison-Creme, die mich retten soll, ist momentan nicht lieferbar. Also rufe ich morgen nochmal den Zahnarzt an und frage um Rat. Wahrscheinlich darf ich dann gleich wieder rein gurken. Ich hab ja sonst nix zu tun.
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