27. Woche: Urlaub zu viert
Mein Freund, mein Baby, mein schlechtes Gewissen und ich machen Urlaub. Anders kann man es nicht formulieren. Das ist ganz schön anstrengend!
Während des ganzen Fluges haben wir durchgekaut, wie mistig es in diesem Krankenhaus war. Und dass unser Timing wirklich kaum hätte schlechter sein können. In erster Linie sind wir zwar erleichtert, aber ich werde immer noch von Sorge zerfressen. Was ist, wenn ich wirklich eine Frühgeburt habe? Gibt es auf Kreta Kliniken, die dafür ausgelegt sind? Ich habe keine Ahnung! Und wir bleiben ja auch nur eine Woche. Und der Flug ist in zweieinhalb Stunden überstanden.
Unser Hotel ist ganz in Ordnung und mit dem Wetter haben wir unfassbar viel Glück. Mit 26°C und Sonnenschein haben wir gar nicht gerechnet. Wir haben allerschönstes Sommerwetter! Und das färbt von Stunde zu Stunde mehr auf meine Stimmung ab. Die Bevölkerung hier trägt einen großen Teil dazu bei. Denn die Kreter sind extrem kinderfreundlich. Zumindest die, auf die wir treffen. Egal ob Fischer, Verkäuferin, Kellner oder Autovermieter: Alle beglückwünschen mich zu meinem Baby und haben tausend Fragen zu meinem Nachwuchs. Außerdem darf ich überall kostenlos aufs Klo gehen und werde von Männern jeden Alters auf jede noch so kleine Stufe hingewiesen. Irgendwie süß. Ich beginne irgendwann im Laufe des Tages mich zu entspannen. Aber richtig locker lassen? Das klappt einfach nicht. Wir machen Urlaub auf Sparflamme. Es ist schön. Jeden Tag unternehmen wir einen anderen Ausflug. Wir fahren an den Geburtsort des Zeus (eine Tropfsteinhöhle), an Strände, kraxeln über die verwunschene Festung der ehemaligen Lepra-Kolonie (klingt komisch, ist aber wunderschön dort - ich hatte auch erst meine Zweifel), wandern durch die längste (und sehr schöne) Schlucht Europas, fahren Boot, essen kiloweise griechischen Joghurt… Und langweilen uns ein bisschen dabei.
Ja, das ist Jammern auf ganz hohem Niveau. Das weiß ich auch. Aber wir sind nun mal alle beide Action-Kids. Bungee-Jumping ins Meer wäre toll. Dafür wirbt ein Plakat in unserem Hotel. Doch das kommt für eine Schwangere natürlich nicht in Frage. Mir fallen die sehnsüchtigen Blicke meines Liebsten in Richtung Aqua Park auf. Darauf hätte ich auch Bock. Einen ganzen Tag lang halsbrecherische Rutschen hinunter zu klatschen. Aber auch das ist mir zu gefährlich. Ich mache viele Dinge nicht mehr, die mir Spaß machen würden. Und eigentlich macht mir das auch nichts aus. Ich weiß ja, für wen ich verzichte. Die Sehnsucht ist aber eben trotzdem manchmal da. Dagegen komme ich nicht an.
Erschwerend hinzu kommt, dass ich immer noch ganz schön bewegungseingeschränkt bin. So eine Wanderung würde mir von der körperlichen Anstrengung her normalerweise nur ein müdes Lächeln entlocken, aber dieses Mal schnaufe ich mich wie eine alte Dampflok durch die malerische Bucht. Beim Kraxeln über Steine und Balancieren über Brücken komme ich an meine Grenzen. Nach wenigen Stunden habe ich das Gefühl, in der Mitte durchzubrechen. Ich weiß gar nicht mehr, WIE ich es tatsächlich noch geschafft habe, mich an diesem Tag den ganzen Weg zurück zu schleppen. Am Abend liege ich auf dem Hotelbett und bin einfach nur tot. Als draußen ein Feuerwerk fast direkt vor unserem Balkon losgeht, steht mein Freund begeistert davor und meint: “Komm schnell und guck dir das an!”. Tja… Schnell ist relativ. Ich brauche gefühlte zehn Minuten - allein um mich von einer liegenden in eine sitzende Position zu bringen. Becken und Rücken verweigern die Zusammenarbeit mit meinen Muskeln. Das ist wirklich hart! Und so ähnlich geht es mir eigentlich jeden Abend. Ich kann aber auch schlecht zugeben, dass ich irgendetwas NICHT kann oder dass mir etwas zu anstrengend ist. Ich denke, mein Liebster merkt trotzdem, was los ist.
Ich liebe meinen Freund von Herzen. Zum Beispiel, weil er mir eine kühlende Creme für die Beine gekauft hat, die er mir abends immer auf Waden und Unterschenkel knetet. Der Mann ist großartig. Aber als er am Ende des Urlaubs resümiert, dass ihm das Abenteuer gefehlt hat, muss ich heulen. Ich fühle mich schuldig. Weil ich schwanger bin, können wir ganz viele Dinge nicht machen. Und weil ich sowas Egoistisches denke, habe ich auch meinem Baby gegenüber ein schlechtes Gewissen. Ich kann mich gar nicht entscheiden, wem gegenüber die Schuldgefühle größer sind und heule einfach für beide. Blöde Hormone!
Ich bin trotzdem erleichtert, als wir nach einer Woche Kreta wieder in München landen. Ich werde das Land mit Sicherheit nicht mehr verlassen, bevor meine Kleine nicht gesund und munter das Licht der Welt erblickt hat. Und ich wünsche mir sehr, dass sie sich bis dahin noch ein bisschen Zeit lässt!
Ich habe lange überlegt, ob ich dieses Bild wirklich öffentlich machen soll. Und tadaaaa: Achtung Wal! - Das Meer ist echt kalt aber Schwimmen ist die einzige Fortbewegungsart, bei der mir nichts weh tut. Und das ist herrlich!
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