Ravenmother: Wie pädagogisch korrekt können Working Moms sein?
Mein Jüngster hustet dieser Tage immer mal wieder so, dass ich ihn nicht in den Kindergarten schicken mag. Die richtige Entscheidung, die mir trotzdem ein schlechtes Gewissen beschert. Denn in der Arbeit habe ich so viel zu tun, dass ich unmöglich auch krank machen kann. Wie viel exklusive Zeit braucht ein Vierjähriger wirklich für seine geistige und emotional gesunde Entwicklung?
Alarm, es kommt ein Notruf an. Feuerwehrmann Sam ist unser Mann! Wiiiiuuuu, wiiihhhuuu, wiiiuuu. Fuck! Wie werde ich diesen Ohrwurm los? Und wisst ihr, wie mies der sich ins Hirn fressen kann, während man gerade versucht, den Kollegen die umfassende Jahresplanung im Marketing-Jour-Fix zu unterbreiten? Hatte ich heute. Schon wieder! Auch letzte Woche hatte ich Alex schon tageweise zu Hause weil er Abends in der Kurve hing wie ein Schluck Wasser.
Choreografie der Kinderkrankheiten
Die Kindkrank-Choreografie ist bei uns allerdings immer die Gleiche. Was am Vorabend noch danach aussah, als würde sich da ein richtig übler Infekt breit machen, löst sich spätestens dann in Luft auf, wenn ich dem Kindergarten Bescheid gegeben habe, dass Alex daheim bleibt und das Essen abbestellt werden kann. Kaum habe ich das Gespräch beendet, steigt die Laune beim kleinen Patienten. „Hurra! Darf ich fernsehen?“
Ab wie vielen Stunden Fernsehen werden Kinder dumm?
Die Antwort ist auch schon gut einstudiert: „Nein! Du kannst nicht davon ausgehen, den ganzen Tag in die Glotze gucken zu dürfen, nur weil die Mama arbeiten muss.“ Meistens schaffen wir es dann auch ganz gut über die ersten Stunden. Wir holen erstmal frische Brötchen vom Bäcker nachdem wir die Mädels in der Schule abgeliefert haben und Alex ist anschließend eine ganze Weile mit Essen beschäftigt. Er ist der klassische Buffet-Typ. Wenn ich ihm Nahrung in hübsch aufgeschnittenen Portionen serviere, knabbert er so lange mal hier und mal da bis alles weg ist. Das nutze ich zu meinem Vorteil und stelle ihm zum Beispiel Blaubeeren vor die Nase. Die isst er einzeln. Das dauert.
Sie war stets bemüht
Im Anschluss schafft er es schon durchaus auch, sich eine Stunde allein zu beschäftigen. Doch dann ist auch Schicht im Schacht. Er kräht dann von der Treppe herunter, dass er sein ganzes Kinderzimmer durchgespielt hat und jetzt bitte endlich fernsehen will. Und an dieser Stelle beginnt der Kampf mit der Medienzeit. Kann ich ihn halb elf schon vorm Disney Channel parken? Da er mir die ganze Zeit ins Meeting quasselt und mir voll gerotzte Taschentücher auf die Tastatur legt, gebe ich nach. Also an den kleinen Zauberkasten. Hilft bei uns leider fantastisch. Es soll ja Kinder geben, denen Fernsehen nach einer gewissen Zeit langweilig wird. Meine gehören aber nicht zu diesen Exemplaren, Die würden vor der Glotze wohnen, wenn ich sie ließe.
Sorry Super-Moms
Mach ich aber nicht. Zumindest sonst nicht. Aber das jetzt ist eine besondere Situation, die besondere Maßnahmen rechtfertigt. Also schaut Alex bis 12 Uhr. Durchgehend. Ab und zu holt er sich einen Tee und ich kann mein Meeting so zu Ende bringen, dass ich den Teilnehmern auch zuhören kann. Also Danke Fernseher. Zur Mittagspause koche ich mit Alex Nudeln mit Sahnesoße. Er kriegt einen Apfel dazu, damit ihm nicht auch noch die Zähne ausfallen, nachdem Feuerwehrmann Sam ihn mutmaßlich ein paar Gehirnzellen gekostet hat. Den braucht er auch, weil ich bis zum vorläufigen Feierabend nochmal zwei Calls habe und ihr kennt inzwischen den Weg, den ich wähle…
Warum ich das schreibe? Weils halt genau so abläuft. Bei mir und Millionen anderen arbeitenden Eltern. Und ich finde, dass es Zeit wird, das wir das voreinander auch einfach zugeben können. Das sind Ausnahmesituationen. Punkt. Und das Wort Ravenmother gibt’s übrigens überhaupt nicht. Wir Deutschen sind die Einzigen, die einen Begriff für schlechte Mütter haben. Kann man mal drüber nachdenken.
In dem Sinne. Ich geh Zwiebelsaft kochen. Oder zieh mir noch ne Folge Feuerwehrmann Sam rein.
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