Woher mit den Millionen oder: Raus aus München?
Es wird eng in unserer 2,5 Zimmer Bude. Die Minimum eine Millionen für ein kleines Reihenmittelhäuschen haben wir nicht. Müssen wir wohl oder übel raus aus der Stadt?
1,3 Millionen für die Bruchbude drei Häuser neben uns. Für den Preis wurde die Kiste jetzt verkauft. Bewohnbar ist sie nicht. Also wird sie abgerissen und oben drauf kommt dann vermutlich die hier übliche Dreier-Kombo aus zwei schmalen Reiheneck- und einem Reihenmittelhaus. Nix gegen diese Häuser. Würde uns völlig reichen. ABER: die kosten fast 3.000 Euro Miete im Monat. Und das tut einfach zu weh. Mit so einem Betrag könnten wir leben, wenn wir damit in 20 Jahren unser eigenes Häuschen abbezahlen aber doch nicht zur Miete!
Das Ding ist, dass diese Wohnungen und Häuser über den Tresen gehen wie geschnitten Brot. Steht hier so ne alte Kiste leer, tut sie das in der Regel nicht lange. Es sei denn, die Besitzer heben sich diese Wertanlagen noch auf. Für die eigenen Kinder zum Beispiel, was ich gut verstehen kann. Aber auch dann erscheint es mir schlauer, sein Häusle erhalten zu lassen, indem es eben bewohnt wird. Aber in dem Thema bin ich zu wenig drin, um mitsprechen zu können. Egal. Unser Frust steigt. Jeden Monat wird die kleine leise Unzufriedenheit lauter. Weil wir eigentlich gut verdienen, mehr Quadratmeter zu haben aber trotzdem unerreichbar scheint.
Ich möchte nicht so sein. Missgunst ist Scheiße. Aber ja, ich bin neidisch. Auf Freunde, die direkt drei Häuser von ihren Großeltern geerbt haben. Auf den Nachbarn, der mit 92 Jahren völlig überfordert ist von seiner parkähnlichen Gartenanlage und dem Riesen-Haus. Ich bin grantig auf das Ehepaar mit den zwei Häusern in unserer Straße, die eins bewohnen und das andere leer stehen lassen, weil sie keinen Bock haben, sich mit Mietern herum zu schlagen. Das weiß ich übrigens alles, weil ich Klinkenputzen gehe. Beim Spaziergang mit dem Kurzen quatsche ich mit den Nachbarn über den Zaun hinweg und frage dann einfach, ob sie zufällig wissen, was mit dem Haus neben ihnen so ist. Am Anfang fand ich das super spannend. Aber da hatte ich auch noch Hoffnung, dass einer sagt, „komm Katja. Auf so ne nette Familie hab ich gewartet. Ich vermiete euch die Butze für nen Tausender. Ihr macht mir den Garten und lüftet den Kasten, macht die ein oder andere Schönheitsreparatur und wenn wir mal nicht mehr sind, schauen wir weiter.“ Aber das ist so realistisch, wie auf die unbekannte aber reiche Erbtante zu bauen, die uns ihre Villa in der Toscana vermacht.
Johanna will jetzt immer öfter ihre Ruhe haben. Es gibt aber nur ein Kinderzimmer für die drei Mäuse. Wo wir ihren Schreibtisch hinstellen, wenn sie im September in die Schule kommt, wissen wir noch nicht. Hausaufgaben werden wohl erstmal am Esstisch erledigt. Hab ich früher auch gemacht. Das wird schon gehen. Aber so richtig dem Bedürfnis nach Ruhe nachkommen, kann hier keiner. Es gibt eben keine Ausweichmöglichkeiten. Simon sitzt jetzt seit über einem Jahr mitten im Wohnzimmer und arbeitet so. Oft wirklich im größten Trubel. Und ja, das führt zu Spannungen. Diese nonverbale Kommunikation aus Augenrollen, Zunge schnalzen und genervtem Seufzen machen mich wahnsinnig. Dabei schlägt er sich wirklich wacker. Die Kinder auch. Ich unterstütze, wo ich kann aber ich hasse es, auf Zehenspitzen um ihn herum zu schleichen. Eine Lösung scheint es hier nicht zu geben. Also haben wir einen Entschluss gefasst.
Wir suchen jetzt ein Haus rund um Bad Saulgau. Das ist ein kleines Städtchen in Baden Württemberg, in dem meine fitte super liebe Schwiegermutter lebt. Simon kommt aus der Ecke. Es ist nicht sein Heimatort aber nicht weit davon entfernt. Wir lieben München. Wirklich und über alles. Ich bin seit zehn Jahren hier und habe mich nach der Trennung von meinem Ex-Verlobten FÜR die Stadt entschieden und DAGEGEN, wieder in die Heimat zurück zu gehen. Weil ich mich verliebt habe. In Minga. Aber wie eine Freundin von mir sagte: Alles im Leben hat seine Zeit und unsere Tage hier scheinen einfach gezählt zu sein.
Ein Trampolin im Garten. Die Hasen, die sich unsere Mädels so wünschen… Johanna müsste die Schule wechseln aber das schafft sie. Sie ist beliebt. Auf Spielplätzen bleibt sie nie lange allein. Andere Kinder suchen ihre Nähe und wir werden alles tun, um ihr beim Einleben zu helfen. Ihre ehemals beste Freundin aus Baby- und Kleinkindzeiten lebt ebenfalls in Bad Saulgau. Da hätte sie schon Anschluss. Und die geliebte Oma ist da. Und die hat ein Pony. Pauline wird in zwei Jahren eingeschult und Alex kommt zeitgleich in den Kindergarten. Das ist gar kein schlechtes Timing. Ich starte morgen ein Fernstudium, um mir ein zweites Standbein aufzubauen. Damit ich beruflich NOCH breiter aufgestellt bin und auch in einer NICHT-Medienstadt arbeiten kann.
Ihr seht schon, das Ganze nimmt schon Formen an. Ob das so klappt, wissen wir natürlich nicht. Aber wir machen uns jetzt aktiv auf die Suche. Und es fühlt sich richtig an. Seit wir diese Möglichkeit für uns in Erwägung ziehen, fühlen Simon und ich uns leichter. Wir haben wieder Hoffnung. Und das fühlt sich ganz wunderbar an. Und das, obwohl wir wirklich nicht gerne gehen.
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