Wackelzahnpubertät? – So versage ich bei Trotzanfällen
**Versprochen ist versprochen. Heute kommt der Beitrag zu meinem kindischen, unpädagogischen und echt peinlichem Verhalten meinen armen Töchtern gegenüber. **
Auf die Gefahr hin, für Empörung oder gar Entsetzen zu sorgen, habe ich testhalber schonmal zwei Freundinnen über meine unorthodoxen Erziehungsmethoden unterrichtet. Und weil die erstaunlich locker reagierten, schreibe ich es jetzt auch einfach mal auf. Vielleicht hilft es der ein oder anderen Mama sich weniger schlecht zu fühlen. Also…
Ich hatte viele gute Vorsätze in Sachen Kindererziehung. Niemals „Was?“ fragen, wenn mein Kind zum hundertdrölfzigsten Mal MAMAAAAAAHHH brüllt. Schaff ich. Ich sage immer: „Ja bitte mein Kind?“ Aber mal ernsthaft. Auf die Formulierung kannst du nix geben. Hier macht klar der Ton die Musik. Ich klinge in diesen Situationen nicht geduldig und liebevoll, so wie ich mir das wünschen würde. Ich kann die Frage zischen, zurückschreien, mich genervt anhören… Und zum Thema Lautstärke gleich noch dazu: Ja, ich hab mein Kind schon mal angeschrien. Also nicht direkt das Mädchen angebrüllt aber im Raum rum gebrüllt schon. Und das ist echt peinlich. Sie ist vier. Ich bin 35. Wie also kann ich derart entgleisen? Sie ist ein Kind. Noch dazu ein Kleines. Aber sie ist eben auch MEIN Kind. Und mir verdammt ähnlich. Und ich denke, das ist auch der Knackpunkt.
Meine Dreijährige ist nämlich zur Zeit viel – nun ja – gefühlsintensiver als meine Große. ABER: Ihre Trotzanfälle machen mir wenig aus. Auch an Tagen, wo sie wirklich Gas gibt. Mit extrem viel Sabbern, hysterischem Rotze-Hochziehen, Brüllen und auf den Boden werfen. Vielleicht liegt es daran, dass die Heftigkeit ihrer Trotzanfälle neuerdings krass Fahrt aufgenommen hat. Möglicherweise bin ich immer noch zu überrascht, als das es mich wirklich wütend machen würde. Jedenfalls kann ich mit Pauline auch im schlimmsten Sturm gut umgehen. Ich begleite sie durchs schlimmste Gewitter in ihrem Kopf. Manchmal auch bissle genervt aber meistens mach ich das schon ganz gut. Ganz im Gegensatz zu meinem Umgang mit Johannas Launen.
Letzte Woche bin ich so eskaliert, dass ich ihr Spaghetti an die Wange geklebt habe. Dem voraus ging ein schöner Vormittag. Was war ich selig, so tolle Kinder zu haben. Beim Mittagessen hat Johanna dann derart mit den Spaghetti rumgesaut, dass sie mich wirklich auf die Palme gebracht hat. Das bald fünfjährige Kind schaufelte sich mit beiden Händen Nudelberge in den Mund. Sie sah aus wie ein Oger. Das Kind stopfte, ich ermahnte. Sie schaufelte noch mehr und würgte. Mein Puls stieg. Sie würgte die Hälfte wieder aus dem Rachen und spuckte eine Ladung auf den Boden – Feierabend bei der Muddi! Ich hatte sie mehrfach gewarnt. Es ist mir ein Rätsel, was sie da überhaupt geritten hat. Sie kann fantastisch essen. Rückblickend war das klares Grenzen austesten aber in der Situation war ich einfach nur auf 180. Ich wollte, dass sie die Nudeln vom Boden aufliest. Schließlich hat sie die Sauerei gemacht. Sie ließ sich zu Boden gleiten, starrte mich zornig an und klebte in Zeitlupe eine Spaghetti nach der anderen an ihren Hochstuhl. Ich drohte ihr, dass sie gleich Spaghetti im Gesicht kleben hat, wenn sie nicht sofort damit aufhört. Tjaaaa… Sie wollte wohl wirklich herausfinden, ob ich das Ernst meine. Dabei kam ich mir schon bei der Androhung dämlich vor aber ich bin nun mal auch nur ein Mensch. Dazu ein impulsiver.
Was folgte war Heulen und der halbstündige Rückzug in ihr Bett. Ich hab mich direkt bei ihr entschuldigt aber es brauchte trotzdem das Deeskalations-Baby um sie zu trösten. Ich mach in solchen Situationen nämlich gern gleich noch was Verbotenes. Ich benutze das Baby. Der kleine Sonnenschein lenkt sie perfekt ab. Ich lege ihn zu ihr und er strahlt sie einfach an und macht Spuckebläschen. Und strampelt und strahlt noch mehr. Dann freuen wir uns zusammen über unseren kleinen Schatz und alles ist wieder gut. Wir sprechen uns aus und versuchen beide, es beim nächsten Mal besser zu machen. Hält nur irgendwie nicht lange.
Heute Morgen gleich die nächste Eskalation. Ich überraschte Johanna mit neuen Schminkstiften. Sie war völlig aus dem Häuschen. Eine halbe Stunde lang verwandelte ich sie aufwendig in eine Pfauenprinzessin. Sie war glücklich. Ich war die Beste. Bis… sie einen Blick in den Spiegel warf. Der Ausläufer eines Herzmusters auf der linken Wange war ihrer Meinung nach nicht richtig. Sie wütete herum wie Rumpelstielzchen. Und in mir brodelte es wieder. Das Ganze schaukelte sich hoch. Mit dem Tenor „Du weißt nichts zu schätzen. Was denkst du, wie andere Kinder sich jetzt gefreut hätten?!“ Und ich weiß nicht so ganz wie es passiert ist aber am Ende hab ich ihr Bilder von Kindern gezeigt, die in Kriegsgebieten leben. Keine blutigen. Aber schlimm genug. Bravo Katja. Jetzt haste sie nachhaltig traumatisiert. Okay. So schlimm wird es nicht gewesen sein aber Mutter des Jahres werde ich wirklich und hundertprozentig nicht mehr.
Und während meine Mädels schon wieder begeistert meinen Seifenblasen nachjagen, jagen mich immer noch die negativen Gedanken. Wie konnte ich nur? Was kann ich beim nächsten Mal besser machen? Und da kommen sie an. Verschwitzt vom Rennen, schmutzig wegen der Mischung aus Seifenlauge und Sandkasten, schenken mir Butterblumen und Gänseblümchen und sagen, dass sie die beste Mama der Welt haben. Und ich? Habe einen verdammt dicken Kloß im Hals.
Inzwischen weiß ich immerhin, dass es so etwas wie eine richtig miese aber begründete “Wackelzahnpubertät” gibt. Und als Journalistin liegt es ja in meiner Natur, mir ALLES zu einem Thema zu Gemüte zu führen, dass mich irgendwie interessiert. Denn: Je besser ich Vorgänge und Ursachen verstehen kann, desto besser kann ich sie händeln. Eine Seite, die die Herausforderungen eben jener Wackelzahnpubertät ganz gut erklärt, habe ich übrigens hier gefunden. Vielleicht hilft deren Lektüre ja noch jemandem außer mir :).
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