Babys 17. Woche: Reisen bildet

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Eine Frau mit Baby im Tragetuch, einem dreirädrigen Kinderwagen, einem Trekkingrucksack und einer elektrischen Milchpumpe im Einkaufsfach der Kinderkutsche am Münchner Hauptbahnhof. Das bin ich. Voll bepackt wie ein griechischer Esel, der dicke Touristen durch die Gegend schaukelt. Mein Kreuz tut weh und ich befürchte etwas vergessen zu haben. Etwas Elementares, ohne das mein Baby die komplette Fahrt über schreien wird. Und das Herz schlägt mir bis zum Hals. Man könnte meinen, dass ich auswandere. Dabei fahre ich nur meine Familie und Freunde besuchen!

Am Bahnsteig in Dortmund - Übrigens liebe ich meine Tragejacke!

Vor uns wartet der ICE nach Dortmund. Ich bin extra früh hier. Wir starten erst in einer halben Stunde aber ich wollte mir einen Puffer lassen, um auch den perfekten Platz für uns zu finden. Reserviert habe ich nichts. Trotzdem hoffe ich auf ein Plätzchen im Kinderabteil. Vorab habe ich mich nämlich ein bisschen schlau gemacht, in welchen Zugtypen man mit Kindern WO am besten aufgehoben ist. Und die Kinderecke im ICE ist tatsächlich ziemlich geil. Platz für meinen Kinderwagen, eine Steckdose für den Fläschchenwärmer (den ich nicht auch noch eingepackt habe), eine Sitzecke für Familien. Temperatur kann man separat einstellen. Das fällt mir allerdings erst auf, nachdem ich komplett durchgeschwitzt bin und stinke wie ein Iltis. Egal. Auf dem Weg zum Bahnhof hat Johanna geschlafen. Das habe ich absichtlich so eingerichtet indem ich eine Zeit gegen elf Uhr vormittags zur Abfahrt gewählt habe. Und ich habe alle Strecken ohne Umsteigen gewählt. Für den Weg Dortmund – Karlsruhe musste ich dafür 70 Euro zahlen. Das ist okay. Für die Hälfte der Kohle wäre ich doppelt so lange gefahren und hätte den Stress gehabt, mit Sack und Pack die Züge zu wechseln. Nee, danke.

Jedenfalls hoffe ich, in unserem lauschigen Abteil die ganze Zeit, dass niemand herein platzt, der reserviert hat und mich rausschmeißen will. Doch alles läuft super. Wir spielen eine Runde, sie schläft beim Stillen an der Brust ein. Jedes Mal wenn ich sie im Kinderwagen ablegen will, wacht sie wieder auf. Also gut. Dann bleibe ich eben in der Position. Auch wenn mir die linke Arschbacke schon eingeschlafen ist. Tatsächlich bringen wir es auf zweieinhalb Stunden in der unbequemen Haltung. Mein Baby ist ausgeruht und wir spazieren durchs Bordbistro. Mit einer halben Stunde Verspätung kommen wir in Dortmund an. Im Familienabteil hatte ich tatsächlich zwei mal Gesellschaft. Eine Mutter mit etwa zweijähriger Tochter bis Nürnberg und später eine Familie bis Hamm. So wurde es auch nicht langweilig und meine Tochter hat alle angelächelt. Da war ich gleich wieder stolz wie Oscar. Die Autofahrt vom Bahnhof zu meinen Eltern war auch nochmal spannend. Denn da wir kein Auto haben, ist mein Baby das folglich auch nicht gewöhnt. Nach anfänglichem Weinen schlief sie aber erschöpft ein. Von Haustür zu Haustür waren wir jetzt über acht Stunden unterwegs. Die nächste Herausforderung: Wie schläft mein Baby in fremder Umgebung?

Die Antwort: Hervorragend! Besser als zu Hause! Aber vielleicht liegt es auch an den vielen, vielen Eindrücken des langen Tages. Auch die nächsten Tage sind gemütlich. Oma und Opa überschlagen sich, um Zeit mit ihrer Enkelin zu verbringen. Also habe ich auch mal Zeit für ein ausgiebiges Bad. Und ich muss nicht kochen. Herrlich! Nur meinen Liebsten, den vermisse ich schrecklich.

Nach vier Tagen brechen wir auf in Richtung Karlsruhe, um gute Freunde zu besuchen. Auf dem Bahnsteig gehe ich schon zielgerichtet in die Mitte um direkt in das Familienabteil einzusteigen. Wir sind schließlich schon Zugfahr-Profis! Auch dieses Mal ergattern wir ohne Reservierung den tollen Platz und die Fahrt verläuft ähnlich großartig wie schon unsere erste. Von mir aus können wir jetzt die ganze Welt bereisen! Mein Baby schläft zwar weiterhin nur in meinen Armen aber das macht mir nichts aus. Eine kleine Familie sitzt mit uns im Abteil gegenüber und meine Kleine wird nicht mal wach als das andere Mädchen sich lautstark weigert, ihren Mittagsschlaf zu machen. Diese Fahrt dauert nur dreieinhalb Stunden. Am Bahnhof in Karlsruhe werden wir wieder abgeholt. Welch ein Service!

Meine Freunde haben eine schöne große Wohnung. Johanna und ich bekommen das Kinderzimmer ihrer acht Monate alten Tochter. Ein vier und ein acht Monate altes Baby sind übrigens NICHT kompatibel. Pia ist schon mobil. Sie krabbelt, robbt, steht, wackelt und bahnt sich ihre Weg mit der zerstörerisch-unkoordinierten Kraft eines Tyrannosaurus Rex. Mein Baby kommt noch nicht vom Fleck. Auch mit dem gemeinsamen Spaziergang klappt es nicht. Während ich nicht lange stehen bleiben kann weil mein Baby dann im Tragetuch wach wird, ist spazieren für Pia eine Zumutung. Sie will sich bewegen. Auf den Spielplatz. Action. Und heute, am letzten Tag unserer Reise ist Johanna auch nicht mehr ganz so sonnenscheinig drauf. Vielleicht überträgt sich auch einfach meine Stimmung auf sie. Es ist nett bei meinen Freunden aber ich mag nicht mehr. Ich will wieder nach Hause. In mein Bett, in mein Badezimmer, Privatsphäre und natürlich… zu meinem Freund.

Die Rückfahrt im IC ist anstrengend. Das Abteil ist zu klein um den Kinderwagen rein zu bekommen. Einer anderen Mutter mit schmalerem Modell geht es genau so. Jedes Mal, wenn Johanna einschlafen will und kurz davor steht, schreit der kleine Jan, der sich mit uns das Abteil teilt. Mein Baby ist daher mittlerweile auch unleidlich. Ich will jetzt nur noch heim! Und zwei Stunden später kommen wir da auch an. Ich fühle mich, als wären wir einen Marathon gelaufen. Ich bin völlig erledigt aber auch glücklich. Und sehr, sehr stolz auf uns.

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